GESCHICHTE
 
Steine finden auf den Balearen vielerlei Verwend ung, was kaum zu übersehen ist. Bei jedem Spaziergang begleiten einen die inseltypischen Trockenmauern an Wegesrändern. Aber kaum ein Zuwanderer weiß, dass die Felsbrocken hier traditionell auch geschleudert werden und die Inseln daher ihren Namen haben: Er leitet sich von dem Wort „Balearides“ ab, was soviel wie „Stein schleu derer“ be deutet. Ur sprünglich wur de ge schleudert, um Tiere zu erlegen oder römische Schiffe zu versenken.

Heut zutage ist es ein be liebter Wettkampfsport. Das große Schleudern begann im 3. Jahrtausend vor Christus, als die Urbevölkerung die Inseln besiedelte. Die Menschen verwendeten für die Jagd und zu ihrer Verteidigung eine Schleuder, als Munition dienten eioder kugelförmige Steine. Etwa 1.500 Jahre später sausten den Angreifern dann Geschosse aus Bronze oder Eisen um die Ohren.

Es war die Zeit der TalayotKultur, der balearischen Variante der Bronze- und Eisenzeit. Die Treffsicherheit war schon damals enorm: Wurf weiten von mehr als 150 Meter sind möglich, wie Rekonstruktionen und Versuche belegen. Das bekamen auch die Römer zu spüren, die Ibiza & Co. im 2. Jahrhundert vor Chris tus ansteuerten. Zur Be grüßung gab es einen nie derschmetternden Stein hagel, die römischen Schiffe wurden zu Klein holz geschleudert. Das kam nicht unerwartet, war doch das Wurf ge schick der Insulaner bereits
gut bekannt.

 
     
 
     

Durch eine schlaue Anordnung von zwei Gruppen bildeten die Werfer einen Abwehr riegel, der einemsteinernen Vorhang glich. Der Geg ner hatte keine Chance, unverletzt hindurchzukommen. Die Wucht der Geschosse war so groß, dass dem Getroffenen förm lich der Kopf vom Leib getrennt werden konnte.

Dennoch wussten sich die Römer durchzusetzen. Sie schützten ihre Schiffe mit Fellen, trieben die Verteidiger mit Wurfspießen zurück und nahmen die Inseln, um sie ihrem Reich einzugliedern. Durch ihre Schleuderkünste aber wur den die Besiegtennachdem der anfängliche Groll verraucht war – zugut entlohnten Söldnern in der beeindruckten römischen Armee.

Heute sind es die Zuschauer der Balearen Meisterschaften, die gebannt den Flug der Steine verfolgen. Seit dem Jahr 1980 gibt es auf den vier Baleareninseln mehrere Vereine, die diese Tradition bewahren.

Bei den jährlich stattfindenden Wettkämpfen wird wieder ge schleu dert, was das Zeug hält. Nur geht es dabei jetzt weniger barbarisch zu, denn ein strenges Regelwerk muss befolgt werden. Ein Schusskäfig ist vorgeschrieben – zum Schutz der Rich ter und des Pub likums.

Bei dem athletischen Wettkampf werden die Steine auf eine „Diane“ geschleudert. Das ist nicht etwa eine bedauernswerte Dame, sondern die Zielkonstruktion der Schleuderer. Sie besteht aus einem 1,20 Meter breiten Holz vier eck mit einem Metallkreis von 50 cm Durchmessern im Zentrum, welcher die eigentliche Zielscheibe ist.

Entscheidend ist neben Zielgenauigkeit und Distanz auch die korrekte Durchführung: Zwar kann der Wurf auf jede beliebige Art des traditionell zugelassenen Drehens aus geführt werden, der Stein muss aber vor dem Abschuss mindestens zweimal gedreht werden.

Der Hauptrichter erklärt den Wurf mit Fähnchen als ungültig, fehlerhaft oder gültig. Bei einem ungültigen Wurf gibt es die rote Fahne in vertikaler Lage. Eine „Diane“ (also ein Volltreffer) wird mit der weißen Fahne in vertikaler Lage angezeigt. Die Schleudern müssen aus pflanzlichen oder tierischen Materialien gefertigt sein; zulässig sind zum Beispiel Agave, Leinen, Hanf, Leder, Haar und Wolle. Schleudern aus metallischen und synthetischen Stoffen warden dagegen nicht akzeptiert.

Als Geschosse müssen natürliche Steine benutzt werden, ohne Gewichtslimit. Meist wiegen sie jedoch so um die 250 g. Bei Schulwettbewerben und Wettbewerben im Freien oder in der Halle werden immer normale Tennisbälle eingesetzt. Es ist tatsächlich eine Waffe und gehört nicht in Kinderhand. An dieser Stel le sei auch vor Selbstversuchen gewarnt. Besser ist es dann doch, die alte Jagdtechnik unter sachkundiger Anleitung auszuprobieren.

 
     
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